Eine Motorradtour ins grüne muss nicht immer planlos sein wie der Reisebericht zum KTM Werk Mattighofen zeigt
von Gastschreiber André
Zum Saisonende sollte es noch auf eine kleine Tour gehen. Doch vor der Tour kommt ja immer die Planung. Eigentlich eine willkommene Gelegenheit um sich auf ein paar Bier zu treffen und die Reisevorbereitung zu besprechen. Bei uns tat es diesmal auch ein kurzes Meeting im Büro, bei Kaffee und Zigarette. In dem eingespielten Team waren die Aufgaben schnell verteilt. Thorsten und Stefan kümmern sich um die Routen, ich um die An-und Abreise. Das war einfach. Schwieriger war da schon das Thema Bekleidung. Was soll ich denn nur anziehen?
Unentschlossen stehe ich vor dem Kleiderschrank. Normaler Weise fällt mir das nicht so schwer. Bin da eher der pragmatische Typ. Nur beim Motorradfahren, da kann das auch mal länger dauern. Lederhose und Textiljacke? Irgendwo hatte ich doch noch die Innenjacke zum unterziehen. Oder doch lieber Lederjacke? Und welche Handschuhe? Die Winterhandschuhe wären angebracht, sind aber bestimmt nicht mehr ganz dicht. Hmm. Und die Helmfrage? Passend zur LC4 den Crosshelm mit Brille oder wegen dem Wetter doch den Geschlossenen. Ich kann mich einfach nicht entscheiden.
Dann fällt mir ein, dass wir ja mit dem RoadRoom Bikershuttle anreisen! Haha! Problem gelöst – oder vielmehr vertagt. Egal. Ich hole einen großen IKEA Beutel und packe Textil- und Lederhose, Textil- und Lederjacke, zwei Paar Handschuhe und zwei Paar Schuhe ein. Oben drauf kommen die beiden Helme. So, fertig. War doch gar nicht so schwer. Dann kann’s ja losgehen.
Die waren Probleme des Lebens – Welches Motorrad ist geeignet?
Da viel mir die Entscheidung wieder leichter. Im Frühjahr hatte ich mir eine LC4 Adventure als Zweitmotorrad angeschafft, mit Koffern natürlich, damit man mit ihr auch mal den Wochenendeinkauf erledigen kann. Leider verbrachte die Gute den Sommer größtenteils in der Werkstatt. Unterbrochen von zwei kurzen Ausfahrten, die immer wegen spontanem Totalausfall der Stromversorgung ein abruptes Ende nahmen. Denn der von den Vibrationen des Einzylinders geschundene Kabelbaum, bei der Besichtigung und Probefahrt noch unauffällig, stellte unsere Beziehung gleich zu Beginn auf eine harte Probe. Zum Glück war ich nur im Berliner Umland unterwegs und der Abschleppwagen ließ jeweils nicht lange auf sich warten.
Was bei den kurzen Ausfahrten noch unangenehm auffiel waren die abgefahrenen Stollenreifen. Der TKC 80 war hinten Eckig wie ein Mauerstein und am Vorderreifen waren die Profilblöcke unterschiedlich weit und schräg abgefahren. Das nennt man wohl Sägezahnprofil. Außerdem störte mich die weiche Sitzbank. Schon nach einer Stunde tat mir das Hinterteil weh. Ich ließ also noch die Reifen wechseln und die Sitzbank aufpolstern.
Hubraum und Leistung ist durch nichts zu ersetzen? Die LC4 beweist das Gegenteil
Jetzt wollte ich mal ausprobieren, ob man mit dem Einzylinder auch auf Asphalt in den Bergen seinen Spaß haben kann, oder den Großen Enduros doch nur im Weg rumsteht. Ich schaffte also den IKEA Beutel in den Bus und machte mich auf dem Weg zum Sattler um die KTM abzuholen. Dort angekommen staunte ich nicht schlecht. Die Sitzbank hatte jetzt im vorderen Bereich keine Vertiefung mehr und verlief gerade vom Tank nach hinten. Dafür wurden in diesem Bereich 7 cm mit unterschiedlich hartem Schaum aufgepolstert. War das so abgesprochen? Na immerhin komme ich noch mit einem Bein auf den Boden und der Kniewinkel ist jetzt so entspannt wie auf einem Barhocker. Für Diskussionen ist jetzt auch keine Zeit. Erstmal ausprobieren. Also Motorrad aufgeladen und Abfahrt. Thorsten wartete schon am Treffpunkt und der Rest der Gruppe wollte auch noch abgeholt werden. Punkt 13.00 Uhr waren wir dann auf der Bahn Richtung Süden. Es ging ins Dreiländereck in die Nähe von Passau. Zum Bikeotel (ja wirklich “otel”, nicht “hotel”) nach Büchelberg. Dort angekommen erwartete uns schon ein gemütliches drei Gänge Abendmenü. Anschließend gab uns Max, der Hausherr und Tour-Guide, noch ein paar Tipps für die Touren am Wochenende.
Erster Tag – KTM Factory Tour in Mattighofen
Am nächsten Morgen stand aber erst mal die geführte Tour zu KTM nach Mattighofen auf dem Programm. Sonnige 5 Grad machten mir die Kleiderfrage leicht. Mit Lederhose, Textiljacke und Integralhelm geht’s pünktlich um 8.00 Uhr los. Auf kleinen Landstraßen schlängeln wir uns flüssig über die Hügel und Ausläufer des Bayerischen Waldes Richtung Österreich. An der Donau entlang bietet sich ein tolles Bild. Auf dem Fluss liegt ein dicker Nebelschleier der von der noch tief stehenden Sonne angestrahlt wird. In dem Moment, wo ich mir schon eine Foto Pause wünsche, biegt Max rechts ab und rollt über einen Holzsteg direkt auf eine kleine Fähre.
Wir überqueren mit der Fähre die Donau und damit auch die Landesgrenze nach Österreich. Auf der anderen Seite werden die Straßen dann noch etwas schmaler. Perfekt für die LC4. Die KTM fühlt sich hier richtig zu hause. Je enger die Radien desto besser. Dabei funktionieren die neuen Heidenau-K60 Scout auf Asphalt erstaunlich gut. Sie vermitteln auch bei den niedrigen Temperaturen viel Vertrauen und erzeugen weniger Vibrationen als die groben TKC 80. Die aufgepolsterte Sitzbank macht aus der LC4 ein ganz anderes Motorrad. Man sitzt mehr auf dem Motorrad als Mittendrin und bekommt so viel mehr Gewicht aufs Vorderrad. Das erzeugt eine aktivere Sitzhaltung und gefällt mir sehr. Außerdem werden die Vibrationen des Einzylinder nicht mehr so auf den Körper übertragen. Scheinbar absorbiert der mehrlagige Schaum den größten Teil davon. Das erhöht den Fahrkomfort ungemein und macht aus der LC4 ein wirklich reisetaugliches Motorrad.
Über 100.000 Motorräder verlassen das Werk im Jahr
Am KTM Werk angekommen machen erst mal die neuen Gebäude Eindruck. Hier wurde vor kurzem auf der grünen Wiese eine neue Fabrik errichtet. Von Innen sieht das Ganze dann gar nicht so groß aus. Kaum zu glauben das hier 100.000 Motorräder im Jahr produziert werden. Zumal von der mechanischen Fertigung bis zum Einspeichen der Räder fast alles unter einem Dach passiert. Die Mitarbeiter rennen deswegen aber nicht hektisch durch die Gegend. Alles passiert ruhig und bedacht. Nach drei Stunden sind wir dann schon durch. Kein unnötiges Pallaber. Effizient wie die Fertigung ist auch die Werksbesichtigung, hier KTM Factory Tour genannt.
Gut so denn wir wollen ja auch noch Motorradfahren. Die Rückfahrt geht wieder über kleine Landstraßen. Nur diesmal mit etwas mehr Verkehr denn es ist ja Freitagnachmittag. Es geht trotzdem zügig voran. Natürlich ist der Vollgasanteil mit der LC4 höher als bei den Großenduros. Im Weg stehe ich aber niemandem. Im Gegenteil, es macht einen riesigen Spaß den Einzylinder immer wieder auszudrehen und durch das Getriebe zu steppen.
Am Samstag haben wir wieder Glück mit dem Wetter und drehen eine schöne Tour im Dreiländereck. Immer wieder überqueren wir ohne es zu merken die Grenzen. Auf Tschechischer Seite durchfahren wir den Naturpark Sumava, mit herrlichen Landschaften, verschlafenen Wintersportorten und wunderbar kurvigen Motorradstrecken. Sonntagmorgen dann dunkle Flecken auf dem Regenradar. Wir fahren trotzdem eine kleine Vormittagsrunde und genießen noch mal die wenig befahrenen, geschwungenen Landstraßen in bester Asphalt-Qualität. Damit ist der Bayerische Wald perfekt zum Motorradfahren geeignet und bietet auch genug Potenzial für längere Touren. Es müssen halt nicht immer die großen Pässe sein.
Alle Bilder der Galerie Copyright KTM / Mattighofen
Die Werksbesichtigung bei KTM hab ich auch schon gemacht, fand ich sehr interessant und ist jedem zu empfehlen der sich für Motorräder interessiert. PS: Schöner Bericht, macht Lust auf Frühling 😉
Hallo,
toller und spannender Beitrag, der interessante Einblicke in die Fertigung von KTM bietet. KTM baut, wie ich finde, sehr gute Motorräder. Ich bin schon am überlegen, für die kommende Saison eine KTM zu kaufen.
Viele Grüße
Andreas Langa